Archive for Juni 2012

 
 

Spielzeit

Die Einen spielen, und die Andern weinen;
wie achtlos sich Gleichgültigkeit gefällt!
Die Empathie, so scheint es, nur im Kleinen
noch wirkt, wo man sich in den Armen hält.

Die große Zahl der vielen Schreckensbilder
vermischt sich mit Fiktion, lähmt das Gefühl.
Ist aus der Film, stimmt Katharsis uns milder,
verdrängt, vergessen ist des Horrors Ziel.

Abstumpfung schützt, wenn jene schlimmen Leiden
der Welt sich bahnen einen Korridor
in deinen Blick, und du kannst kaum vermeiden,
dass weltweit Macht und Ohnmacht rücken vor.

Da lässt du gerne dich durch ’s Spiel ablenken;
wer wird an „panem et circenses“ denken?

© Ingrid Herta Drewing

Klärchens Traum

Ja, Klärchen liebte Märchen,
wollt’ gern Prinzessin sein
mit gold gelockten Härchen,
die mit dem Prinz als Pärchen
ins Zauberland zög’ ein.

Sie träumt’ von Himmelsschlössern
und Kleidung, seidenfein,
dass Schimmel, edle Rösser
mit Flügeln, vier, acht besser,
die Kutsche flögen ein.

Der Prinz ließ auf sich warten,
und Klärchen wurde alt.
Ihr Häuschen und ihr Garten
mit vielen Pflanzenarten
lag tief versteckt im Wald.

Die Kinder sich erzählten,
dies‘ sei ein Hexenhaus
und sie oft lärmend quälten,
auch Steingeschosse wählten,
bis Klärchen kam heraus.

Sie schwang dann bös’ den Besen;
die Bengel rannten fort.
Kein Märchen mocht’ mehr lesen
das Klärchen, bittres Wesen,
und Kummer hieß das Wort.

© Ingrid Herta Drewing

Unter Linden

Wie lieblich duften nun die Linden,
die golden, reich in Blüte stehen.
Mag nasenselig mich ergehen,
in der Allee mich gern einfinden.

Da möcht’ ich Hummel, Biene sein,
ganz tief in diese Blüten kriechen;
nicht für den Nektar, nein, nur riechen
ihr süß‘ Parfüm im Sonnenschein!

Doch Labsal sind auch so die Bäume.
Die feuchte Luft nach Juniregen
schenkt milden Duft; der Linden Segen
lässt hier die Stadt vom Sommer träumen.

© Ingrid Herta Drewing

Herzkirschen

Es trägt der alte Kirschbaum hier
nach heller Frühlingsblüte
nun Früchte erster Güte.
Schon fliegen Stare ins Revier;
drum hol die Leiter, pflücken wir,
was reif auch uns erblühte!

Zwei Kirschen baumeln dir am Ohr,
du lächelst süß verwegen;
dies’ Bild möcht’ ich mir hegen:
Herzkirsche, die ich auserkor!
Beglückt schau ich zu dir empor
und träum’ vom Sommersegen.

© Ingrid Herta Drewing

Verregneter Urlaub

Die Leiter leer, der Laubfrosch bleibt versteckt.
Auch so fühl’ ich, wie kühl die Tage sind,
und freue mich, wenn mich mal Sonne weckt,
weil sie im Wolkengrau ein Schlupfloch find’t.

So war mein Urlaubswetter nicht geplant;
ich träumte doch vom Schwimmen, Sonnenbaden!
Als hätte es die Kälte schon geahnt,
eröffnet ein Solarium hier g’rade.

Da finden sich wohl bald auch Kunden ein.
Ich mag kein künstlich’ Licht, ich brauch’ Natur
und hoffe, dass der Sommer spielt noch rein
auf seiner Wärmestrahlen-Klaviatur.

Damit er wohlig hier erwärm’ die Erde
und auch mein Urlaub noch erholsam werde.

© Ingrid Herta Drewing

Kühler Juni

Der Juni greift mit kühler, nasser Hand
und stürmisch rüttelnd in die Blüten, Bäume.
Es schleicht sich Kälte ein in unser Land,
das kürzlich schon vom Sommer durfte träumen.

Sogar die Vögel hüllen sich in Schweigen,
wenn jetzt der Regen gar zu garstig dräut.
Die Köpfe tief sie ins Gefieder neigen,
im Nest die Jungen werden gut betreut.

Und dennoch duften süß die Lindenblüten,
verheißungsvoll, es scheint doch Sommer nah,
der uns sehr bald die Kälte wird vergüten
mit Sonnenschein und blauem Himmel klar.

Dann mag, wenn uns die Hitze sollte plagen,
so mancher wünschen sich die kühlen Tage.

© Ingrid Herta Drewing

Zu Cézannes „Die blaue Vase“

Die blaue, hohe Vase auf dem Tisch,
zwei Äpfel liegen rechts auf gelbem Tuche
und einer separat, die Nähe suchend
zu Vase, Teller, leuchtend rot Gesicht.

Der Teller weiß, umrandet himmelblau,
daneben eine Flasche, bauchig, klein.
Das Fenster scheint verhüllt,sodass die Schau
ins Exterieur will nicht beachtet sein.

Stattdessen marmoriertes Blau im Blick,
die Wand, die den Kontrast zum Tischtuch bietet,
und Vase, die die Vertikale hütet,
lenkt mit dem Blumenstrauß darauf zurück.

Was kunstvoll da Cezanne hat festgehalten
in zartem Farbenspiel, verlässt die Zeit;
wenn wir das Bild anschauen, innehalten,
spricht seine Schönheit uns von Ewigkeit.

© Ingrid Herta Drewing

Frühlingsgeschenk

Im Frühling wird die Erde
ein wahres Wunderland,
ein Sprießen, grünes Werden,
ein Wachsen in den Herden,
als schenke eine Hand,
gelenkt von großer Güte,
nun endlich auch den Armen,
all jenen, die sich mühten,
dies’ Paradies der Blüten
in göttlichem Erbarmen.

Ingrid Herta Drewing

Gewissheit

Der schwarze Vogel kreist schon um dein Haus.
Du schließt die Fenster und beginnst zu singen,
träumst von des Phönix’ goldnen Feuerschwingen,
verdrängst gekonnt des nahen Dunkels Graus.

Noch klingt dein Lied und wehrt den fremden Schatten.
Des Lebens Freude birgt dich, hält dich warm.
Der Klang gibt dir die Kraft, lässt nicht ermatten;
du beugst dich nicht in Schwäche vor dem Harm.

Wenn sich das Licht in graue Asche brennt,
wird deine Seele sich in Höhen heben,
durch Sternenstaub in ferne Weiten schweben,
die vorerst auch kein glaubend Herz erkennt.

Doch wartet dort gewiss ein neuer Morgen,
da darfst auch du dich fühlen ganz geborgen.

© Ingrid Herta Drewing