Archive for Januar 2012

 
 

Wunschdenken

Dort oben über Schnee
und Felsen in den Lüften
schwebt sanft er in der Höh’,
fern dunkler Erdenklüfte.
Der Kondor segelt frei,
nichts scheint ihn einzuengen,
was irdisch noch bedrückt.
Mir scheint es, dass er sei
von allem weit entrückt,
was ihn bedroht mit Zwängen.

Könnt’ ich doch Vogel gleich
mich in die Lüfte schwingen,
in diesem lichten Reich
leicht schweben, fern der Dinge,
des Alltags Einerlei,
mich in die Höh’ entwindend,
im Aufwind sanft zu fliegen;
nichts, was mich lähmend bindet;
würd’ mich im Winde wiegen
von allen Lasten frei.

© Ingrid Herta Drewing

Ermunterung

Befreie dich von deiner Habe,
sie wird zu umfangreich, zur Last!
Denk’ an den Aufbruch, bist nur Gast!
Gefüllt mit Honig ist die Wabe;
was drüber reicht, ist nur Ballast.

Gesammelt über viele Jahre,
erzählt zwar jeder Gegenstand
dir vieles, was dir lieb bekannt,
wie du das Leben hast erfahren,
und ist Relikt in deiner Hand.

Jedoch jetzt ist es Zeit, zu trennen
sich auch von vielem , was beschwert.
Das, was dem Herzen gilt als wert,
lässt sich nicht materiell benennen,
bleibt dir, erinnernd, unversehrt.

© Ingrid Herta Drewing

Friedenstraum

Ich träumte heut’ von einem Garten,
der duftend, reich in Blüte stand,
als habe segnend Gottes Hand,
entgegen allem langen Warten,
uns schon das Paradies gesandt.

Ich blieb dort, schaute und erkannte,
dass dieser Hort war unsre Erde,
sah Löwen liegen, Huftierherden,
die arglos in der Nähe standen,
nicht fürchtend Leid, noch sonst Beschwerden.

Da fragte mein Verstand vermessen:
Was soll das sein, ein Erdenbild?
Hier geht es sonst doch zu so wild:
Ein jeder frisst und wird gefressen.
Was schützt hier wen? Wo ist der Schild?

Ja, Illusionen malen Frieden
so rosafarben an die Wand.
Erwacht, wir suchen nach dem Land,
wo niemand Angst hat, wird gemieden,
und Lieben gilt als Unterpfand.

© Ingrid Herta Drewing

Die drei Weisen

Am blauschwarzen Himmel
ein leuchtender Stern,
der zeigte den Weg
einst den Weisen.
Beschwerlich war es,
sie kamen von fern,
dem Heiland Ehr‘ zu erweisen.

Sie suchten den König
und fanden ein Kind,
hilflos und klein,
dort im Stall,
in einer Krippe
bei Esel und Rind,
und es roch nach Mist überall.

Auch arme Hirten
mit Schafen und Hund
hatten sich fromm eingefunden.
Sie führten Einen,
der Mann war blind,
seine Hände
von Dornen zerschunden.

Des Kindes Mutter,
der Vater, so schlicht,
sie wachten treu bei dem Kinde,
in Lumpen gehüllt,
bei spärlichem Licht,
durch Ritzen heulten die Winde.

Jedoch die Weisen
traten heran,
überreichten in Demut die Gaben,
Weihrauch und Myrrhe
dem göttlichen Kind,
Ehre dem liebreichen Knaben.

Maria und Josef,
das traute Paar
blickte beglückt in die Runde.
Von Frieden
sang freudig der Engel Schar.
Sie priesen die göttliche Stunde;
und die Weisen
erkannten die Kunde.

Ingrid Herta Drewing

Verrückter Januar in Wiesbaden

In meinem Leben noch nie war
Gewitter hier im Januar,
dazu ein sanfter Frühlingsregen.

Die Wiesen Gänseblümchen hegen,
auch dort im Park, im stillen Hag
die Rose rot noch blühen mag.

Und Vögel, die zu Haus’ geblieben,
hell singend in den Bäumen stieben,
sich zwitschernd schon im Nestbau üben.

Ich fänd‘ das schön und säh’s beglückt,
wär‘ nicht die Jahreszeit ver- rückt.

© Ingrid Herta Drewing

Weiße Nächte

Die Nächte tragen weiße Kleider,
und Mondlicht färbt sie silbern ein
inmitten heller Sterne Schein.
Ihr Schneegewand glänzt, ohne Neider
umhüllt ’s die Erde zärtlich, rein.

In solchen Nächten liegt ein Schweigen
fast gütig auf der lauten Welt,
die täglich lärmend jagt nach Geld.
Jedoch nun scheint ihr Friede eigen,
darf himmlisch träumen, sanft erhellt.

© Ingrid Herta Drewing

Ein Hauch von Grün

Erstarrte Lava, Wüste, graue,
so weit das Auge reicht.
Schnell wird es müde, dies’ zu schauen,
der Blick zum Meere weicht.

Wo nimmermüde, blauen Wellen
im Horizont zerfließen,
am steilen Fels in Gischt weiß schwellen,
das Festland zu begrüßen.

Als sei’s ein früher Schöpfungstag,
in den ich träumend fiel,
noch bar der Flora, hart und karg,
mich fast verloren fühl’.

Da find’ ich in der Felsenspalte
den grünen Pflanzenwicht.
Ein Sukkulent sich hier entfaltet,
verleiht der Öde Licht.

So ist’s, wenn wir schon fast verzagen,
uns grün die Hoffnung scheint,
und schenkt uns dieses Wohlbehagen,
das mit der Welt uns eint.

© Ingrid Herta Drewing

Neujahrsblick

Noch steht das neue Jahr in Kinderschuhen,
unschuldig schlägt’s die hellen Augen auf,
erblickt die Welt mit kindlichem Vertrauen,
beginnt nun freudvoll, munter seinen Lauf.

Die guten Paten sollten es begleiten,
zumal sich rührt der Pessimisten Heer.
Sie sehen es zum Untergange schreiten,
berufen sich auf Maya-Priester-Mär.

Ein kosmisch’ Unheil droh’ zur Sonnenwende,
vernichte im Dezember diese Welt.
Die Prophezeiung lähmt doch nur die Hände
der Menschen, die jetzt Wahn und Angst befällt.

Wir aber woll’n mit Zuversicht nach vorne schauen,
geborgen sind wir; lasst uns Gott vertrauen!

© Ingrid Herta Drewing

Jahresende

Des Jahres Tage sind gezählt.
Der Blick zurück lässt Wünsche offen,
gebiert zugleich das stille Hoffen,
dass Glück im neuen Jahr uns wähl’.

Prognosen gibt es, im Orakel,
da findet mancher seine Sicht.
Noch ahnt er nichts von dem Debakel,
das ihn alsbald nimmt in die Pflicht.

Sylvesterträume in den Lüften;
der Lärm den Dämon dräng’ zurück!
Jedoch in unsren engen Klüften,
dort knüpfen wir uns selbst den Strick.

So vieles, was wir tun, entscheiden,
ist wichtig, zeigt des Lebens Weg.
Die Gier, den Hass gilt ’s zu vermeiden,
die Liebe sei uns Brücke, Steg!

Dann wird vielleicht das nächste Jahr
am Ende für uns wunderbar.

Ingrid Herta Drewing