Archive for the Category Poetologisches

 
 

Dichter

Ging ’s mir um Bilder nur, dann wär’ ich Maler.
Zählten Gedanken nur, wär’ ich wohl Philosoph,
wär’ wichtig nur Musik, ein Komponist.

Doch pack’ ich alle drei in eine Kist’,
lass den drei Weisen sein nur ein Gesicht
und wirk’ mit Worten, Bildern, Klängen,
mir mein Gedicht.

© Ingrid Herta Drewing

Lob der Lyrik

Oh doch, du solltest singen, Kind!
Prosaisch graut zu oft das Leben,
in das wir hier gegeben sind.
Drum singe fröhlich, laut und lind,
lass glockenhell die Klänge schweben!

Fatal, zu glauben, Formen hätten
ihr klares Spiel in unsrer Zeit
verwirkt, weil sie des Menschen Stätte
in heile Bilder fälschlich retten,
wozu real sei nichts bereit.

Lass uns doch auch das Schöne sehen!
Dies’ Leben, Lobgesang im Licht,
lehrt die Natur uns zu verstehen;
sie liebt ’s gestaltend aufzugehen;
vielfältig schreibt sie ihr Gedicht.

Sie kennt der Rhythmen Macht, die Klänge,
verleiht dem Chaos noch Struktur.
Mit Phantasie sprengt sie die Enge,
verwechselt Formen nicht mit Zwängen
und folgt des Lebens lichter Spur.

So schenk’ dein Lied in Sinn und Sage,
in Bildern, Versen, Melodien,
das Schöne auch, nicht nur die Frage,
das Suchen, Streiten oder Klagen.
Ein Fundament sei ’s, das uns trage
auch in ein Reich der Harmonie.

© Ingrid Herta Drewing

Reimlob

Warum die Form zerbrechen,
als sei sie Teil der Schuld,
der Hoffart, Ungeduld,
der manche sich erfrechen?

Gestalt hat alles Leben
wohl hier seit Anbeginn;
das Wachsen nimmt sein Streben
natürlich formend hin.

So mag ich Verse binden.
Gemeinsam, sagt der Reim,
wird sich hier klingend finden,
was brüchig, aus dem Leim.

Denn heilend, nicht zerstörend,
erreicht es Poesie,
mit Bild und Klang betörend,
zu fühlen Harmonie.

© Ingrid Herta Drewing

Sprache

Ich mag die Sprache, wenn sie deutlich, schlicht
Gegebenheiten wahr und klar uns nennt,
anschaulich schön in Klängen, Bildern spricht,
und nicht versteift, nur das Abstrakte kennt.

Wer gern mit Aufwertwörtern Verse spickt
und glaubt, dies sei poetisches Gestalten,
wird, wenn die Poesie die Blüten pflückt,
Sprachhülsensträuße in den Händen halten.

Nicht dies geschraubte Stelzen schenkt den Sieg.
Was lyrisch ist, beglückt uns auch als Lied.
Die Melodie in ihren Bann uns zieht,
wir sehen fühlend, hören die Musik.

Denn Sprache lebt im Licht der Poesie,
wenn Bild, Gedanke, Klang in Harmonie.

© Ingrid Herta Drewing

Herbstbilder

Ja, ich weiß es, Herbststurm, Früchte, Blätter,
das sind Bilder, tausendfach belichtet.
mancher fände es wohl sicher netter,
wenn den Herbst man nicht mehr so bedichtet’.

Dennoch trägt mir stets dann im Oktober
die Natur, ganz ungefragt, die Bilder an,
wenn der Blätter prächtiges Zinnober
in Alleen und Gärten glühend singen kann.

Und ich lasse mich dazu verleiten,
schier von diesem Anblick farbentrunken,
was ich sehe, reimend zu begleiten,
nicht beachtend ein poetisch’ Unken.

Werde Impressionen, die beglücken,
wieder aus des Herbstes Bäumen pflücken.

© Ingrid Herta Drewing

So-nett

Du schläfst hier so nett in deinem Sonett,
um altbacken, reimend Worte zu greifen.
Im Altväter-Look wirkt das viel zu adrett
und lässt so modernes Dichten ganz schleifen.

Du solltest erwachen im zweiten Quartett,
da du es im ersten kaum nur beachtet.
Bemühe dich, zeig’ es im Folge-Terzett,
sonst wirst du wohl als Philister verachtet.

Was schert mich das Gaukeln und Reden der Welt?
Ich lese und schreibe, so wie ’s mir gefällt,
und flattere nicht wie die Fahne im Wind,

von wechselnden Lüften  stets neu eingestellt.
Es wäre mir Leben und Dichten vergällt,
wenn ich vegetierte, so fremd bestimmt.

© Ingrid Herta Drewing

Vom Dichten

Für wen? Warum nur willst du schreiben?
Ist es doch Spiel nur mit dem Wort.
Du könntest dir die Zeit vertreiben
mit bess’rem Ziel, am andern Ort.

Sagst du und weißt nichts von dem Glück,
das mir beim Dichten hell erblüht,
wenn Bilder melden sich zurück.
und Vers an Vers im Klang erglüht

Ich suche nicht, die Worte sprießen,
es stürmen Reime auf mich ein,
wenn ein Gedicht beginnt zu fließen,
in Worten lebt sein eignes Sein.

Dann ist mir, als ob neues Leben
sein Lied mir in die Seele singt,
um mir hier Zeit und Raum zu geben,
und wie Musik in sanftem Schweben
ergreift mich Freude, wenn’ gelingt.

Ingrid Herta Drewing

Poetische Überfälle

Als sei in meinem Hirn ein Ort entstanden,
an welchem Bilder, Verse, Reime blühen,
die mir im Ohre klingen, bis sie landen
auf dem Papier, geschrieben ohne Mühe.

Wie Quellen, die aus Felsen plötzlich springen,
so sprudeln mir die Worte in den Sinn.
Es ist, als ob in mir die Sprache singe
und leichthin sage, was zu schreiben hin.

Wie eine Sucht, ich kann mich kaum erwehren,
so stürzen Reime, Verse auf mich ein,
als wolle wer ein volles Fass entleeren,
bevor er ’s rollt in seinen Keller rein.

Wie kann man es erahnen, auch ermessen,
was sich geheimnisvoll zuweilen zeigt.
Lässt doch Vernunft die Wunder meist vergessen,
wenn sie sich nüchtern über ’s Leben neigt.

„Wer lässt sich denn von Worten so betören“,
fragt sie, „sich Zeit und Sinne rauben gar,
dass er, fast Sprachrohr nur, sanft mag beschwören,
was lebt, in Versen fühlt, poetisch? Narr!“

Ein Spiel ist wohl mein süchtig’ Dichten nur,
das mich schon früh am Morgen wirken lässt;
und doch, was in mir klingt, der Verse Spur,
das hält mich wunderbar umfangen, fest.

Ingrid Herta Drewing

Meine Gedichte

Das Dichten ist das Atmen meiner Seele.
Gedanken, Worte, Bilder werden Klang,
Gefühl,hell schwingend noch in meiner Kehle,
das sich poetisch formt im Versgesang.

Wie Kinder, unterm Herzen sanft getragen,
entwachsen auch Gedichte meiner Kraft.
Im Wechselspiel des Werdens siegt das Wagen.
Dann heißt es: Lass sie los zur Wanderschaft!

Was mich bewegte, werden sie bewahren,
und treffen sie geneigte Leser an,
die Sinn und Bild der Klanggestalt erfahren,
dann rühren sie auch deren Seele an.

So lebt ein solch‘ Gedicht durch Lesen neu aus sich,
und ein klein wenig spricht aus ihm mein Ich.

Ingrid Herta Drewing