Oktobertag

Nebelschleier leichthin schweben
und verhüllen See und Baum.
Noch sieht man Konturen kaum,
bis die Sonne weckt das Leben
aus des müden Morgens Traum.

Hell lässt sie die Landschaft leuchten,
schenkt ihr warm gedämpftes Licht.
Und wir leisten gern Verzicht
auf das Grau; die regenfeuchten
Wolken wollen wir nun nicht.

Golden mögen wir Oktober,
wenn mit schöner Farben Pracht
Herbst bemalt die Blätter sacht.
Ahorn-Bäume in Zinnober,
Birken, seidig gelb bedacht.

Und zum Abschied dieses Glänzen,
noch bevor die Nacht uns droht,
Sonnenglut am Himmel loht,
untergehend mag kredenzen
warmes Fluten, Abendrot.

© Foto u. Text: Ingrid Herta Drewing

Frühherbst

Jetzt naht die Zeit der hellen Farbenträume,
wenn Künstler Herbst hier wirkt im Mittagslicht,
gelb, golden, rot bemalt das Laub der Bäume,
und Sonne sanft von blauem Himmel spricht.

Er zelebriert den Abschied, lädt zu Tänzen
die Blätter, die sich lösen von den Zweigen.
Dem Eichhörnchen vermag er zu kredenzen
fein seine Eicheln, Nüsse, die ihm eigen.

Am Abend und auch oft am frühen Morgen
verhüllt er gern sein farbenfrohes Bild,
hält es in Nebelschleiern noch verborgen,
bevor es wieder leuchtend Räume füllt.

© Foto u. Text: Ingrid Herta Drewing

Vier Jahreszeiten

Das Sonnengold, die Lämmer auf der Weide,
des Frühlings Lächeln, heller Blüten Glanz,
der Lüfte Fächeln, mild, so zart wie Seide!
Hier ruft das junge Leben auf zum Tanz.

Es wächst die Frucht, die goldnen Felder wogen,
weithin beschirmt von himmlisch hellem Blau.
Der Sommer, üppig, grün, uns warm gewogen,
zeigt sich auch manchmal mit Gewitterschau.

Der wilde Herbst in seinem Flammenkleid,
er färbt die Wälder, lässt die Winde brausen,
schenkt dennoch letzter Ernte Segenszeit,
bevor im Nebel kahle Bäume hausen.

Und dann fällt Schnee, nachdem des Raureifs Biss
die Wintertage morgens kalt begonnen;
in weißer Stille ruht das Land, gewiss,
dass nun wird neue Lebenskraft gewonnen.

© Fotos u.Text / Ingrid Herta Drewing,

Wiesbaden, vorderes Nerotal

Im Park

Feurige Schwingen,
Blätter tanzen und schweben,
Herbstvögel im Wind.

Der Gingkobaum strahlt
und leuchtet weithin im Park,
ein golden Geschenk.

© Foto u. Text / Ingrid Herta Drewing,

Wiesbaden, Am Warmen Damm,

Ein Märchen

Goldsternjpg

„Ach,Omi, bitte,nur ein Märchen,
erzähle,eins,dann geb‘ ich Ruh‘!“,
so bettelt inständig klein Klärchen,
„ vielleicht von Sternen? Ich hör zu.“

FALSCHER STERN

Es trug sich zu vor vielen langen Jahren,
dass dort in einem fernen, fremden Land
die Menschen trugen Sterne in den Haaren,
die man aus feinem Gold in Flechten band.

Zunächst war’s schöner Brauch, dann ward’s Gesetz,
und keiner konnte unbesternt bestehen.
Es hieß, wer dieses Sterngesetz verletz‘
sollt‘ einer schweren Strafe nicht entgehen.

Der Juweliere Arbeit wuchs; zu tun
hatten natürlich, reich an Zahl, Frisöre.
Sogar den Kinderschopf versah man nun
mit kleinen Sternchen, schmückte jede Göre.

Zwar gab’s in diesem Lande wohl auch Glatzen;
jedoch sah man sie noch besternt bei Nacht,
bedeckt mit Gold die haarigen Matratzen,
Perücken, die aus Mädchenhaar gemacht.

Sogar der König, munkelte man dunkel,
sei ziemlich haarlos unter dem Toupet,
das, Edelstein bespickt, als Lichtgefunkel
er trug im Sternenglanz der edlen Höh‘.

Wo so viel Reichtum glänzt, gibt es auch Arme.
So war es leider auch in diesem Land,
wo Gier und Dünkel fremd der Satz: „Erbarme
dich dem, der glücklos neben dir sich fand!“

Dem Prassen, ganz der Eitelkeit ergeben,
sich richtend in Bequemlichkeit fein ein,
versorgt von armer Sklaven Kraft dies Leben,
das sich gefiel im Parasitensein.

Tief in des Stollens trübem Licht der Minen
trieb man zur Arbeit an Mann, Weib und Kind.
Ihr Leben, das die Sonne kaum beschienen,
verging im Joch der Qualen wie im Wind.

Die Wächter, Roboter, den Nachschub suchten,
auf Straßen fingen Unbesternte ein,
und wenn auch die, gefangen, klagten, fluchten,
war’s ihnen gleich, das Soll erfüllt musst‘ sein.

So kam es, dass ein Fang betraf den Prinzen,
der aus dem Schloss geschlichen unbedacht,
verkleidet, fern dem Hofe wollte linsen,
was das gemeine Volk wohl täglich macht.

Er wehrte sich, man ließ ihn nicht entrinnen,
die Wächter sahen bei ihm keinen Stern,
und eh‘ er sich vermochte zu besinnen,
war nun des Königs Sohn versklavt, ihm fern.

Im Lager fand er seinen Hochmut wieder,
befahl:“ Kniet nieder, ich bin Königs Sohn!“
Doch man versagte ihm Gefolgschaft, bieder,
verschmähte ihn mit Worten voller Hohn!

„Habt ihr’s gehört, die Majestät, der Junge,
spielt jetzt mit uns sogar noch König:Knecht!
Los an die Arbeit, hüte deine Zunge,
wer hier nicht spurt, dem geht es furchtbar schlecht!

Wir halten’s deiner Jugend noch zu Gute,
ansonsten ahnden wir solch schlechten Scherz.
Ob du von Adel oder andrem Blute,
ist uns egal, uns alle frisst der Schmerz.“

Da konnte er sehr bald bewusst ermessen,
dass solches Dasein führt zu frühem Tod,
nur faules Wasser, schimmlig‘ Brot als Essen,
die Arbeit mühsam, täglich Pein und Not.

Nun könnte mancher vorschnell leicht vermuten,
dass diesem Prinzen wurde hart der Sinn,
er Böses plante, sah nicht auf die Guten,
die mit ihm zogen zu den Minen hin.

Jedoch er lernte, traf den Leidgenossen,
den einen Freund, der tapfer zu ihm stand,
sodass er überlebte, unverdrossen,
obwohl solch Sklavenlos ihm unbekannt.

Und als dann eines Tag’s ein schlagend Wetter
dort explodierte, alles setzt in Brand
erwies auch er sich als des Freundes Retter,
den er verschüttet unter Steinen fand.

Er barg ihn sanft, trug ihn hinaus ins Freie
und legte, pflegte ihn, ein Baum ihr Dach;
dann schlief auch er ein, bis ihn ein Geschreie
von Rabenkrähen rief so seltsam wach:

„Gut bist du, Prinz, du solltest König werden,
damit in diesem Reich vorbei die Not,
von Dummheit, Gier und Hochmut hier auf Erden
kein Leben eines Wesens sei bedroht!“

Und eine Elster, die sich zugesellte,
nun keckerte mit magisch‘ süßer Stimm‘:
„ Hier ist dein Stern, den ich mir flugs bestellte,
steck‘ ihn dir an, beeile dich,komm‘, nimm‘!“

Als dann der Sonne Strahl ihn wärmte, weckte,
war auch des Freundes Blick schon wieder klar,
sodass er jenen Königsstern entdeckte.
Der Prinz erkannte, dass sein Traum war wahr.

Nun ging’s zum Schloss; dort wehten Trauerfahnen,
tiefschwarz verkündeten sie den Verlust
des Kronprinzen, denn niemand konnte ahnen,
dass dieser in den Minen fristen musst‘.

Doch als der König wiederfand den Sohn,
die Königin ihn drückte an ihr Herz,
erklärte dieser, dass des Goldes Lohn
verursachte sein Missgeschick, den Schmerz.

„ Mein Vater“, sprach er, „statt des Goldes Glanz,
das mühsam in den Minen wird gewonnen,
missachtend andrer Menschen Leben ganz,
hab ich mich eines Besseren besonnen.

Ich bitte Euch, lasst uns natürlich leben,
wir brauchen nicht den Pomp und falschen Schein,
denn dieses Reich sei reich durch gutes Geben,
das keinen lässt im Sklavendienste sein!

Auch jene Roboter, die stumpf in dumpfem Sinn
zum Drangsalieren normativ gedacht,
lass‘ programmieren um und send‘ sie hin
zu hüten sorgsam Schafe Tag und Nacht!

Nie sollt‘ es mehr in unsrem Lande sein,
dass böse Ansicht wuchert, und was schlecht
sogar in ein Gesetz mag fließen ein,
nie mehr missachte man das Menschenrecht!“

Und, Omi, hat der König das getan?
Lebte der Freund des Prinzen nun im Schloss?

So ganz genau, vermag ich’s nicht zu sagen,
jedoch erschien der Prinz mir voller Mut.
Ich glaube, auch sein Freund musste nicht klagen,
denn meistens enden alle Märchen gut.

© Foto u. Text / Ingrid Herta Drewing,2017

Herbstmittag

Gingkobäume im Nerotal_o

Wie mild der Wind die Wipfel will bewegen,
wie friedlich still der Tag im Mittag lebt!
Nur seidenleicht ein feiner Blattgoldregen
in zartem Tanze aus den Bäumen schwebt!

Als ob Natur, hier feiernd, zelebriere
ein Abschiedsfest, das allem Schönen gilt,
sie sich noch einmal üppig nun erküre
die Farbenpracht, die licht die Landschaft füllt.

Sterntalermärchen, lind die Blätter schweben,
ich schau hinauf, als führ’ ich himmelwärts,
und fühle mich verzaubert, leicht mein Leben
an diesem himmelblauen Tag im Herbst.

© Foto u. Text / Ingrid Herta Drewing,
Wiesbaden,Nerotal

Die fünfte Jahreszeit

Herbst , Goldbirke, Nerotal

Es ist dies‘ Licht, das alles lässt erstrahlen,
die Luft so seidenweich, fast frühlingsmild!
Das Sehnen nach dem Schönen wird gestillt,
wenn sich die Landschaft fern dem Nebelfahlen
am Mittag zeigt in hellem Farbenbild.

Die fünfte Jahreszeit scheint zu ergänzen,
was die Natur führt sanft zum Ende hin,
lässt müden Sommer ahnen, Herbstbeginn.
Jedoch die Büsche, Bäume golden glänzen
als Augenweide, die berauscht den Sinn.

Da liegt im Abschiednehmen ein Versöhnen,
als flüstere wer zärtlich, unverstellt,
sanft Liebesworte dieser kleinen Welt,
die uns anmutig leuchtend mag verwöhnen,
hier schön geraume Zeit in Atem hält.

© Foto u. Gedicht / Ingrid Herta Drewing,2017

Septembertristesse

Version 3

Ein kühler Wind greift harsch in meine Haare,
kein Indian Summer die Gefilde säumt.
Der Regen rinnt, als ob er offenbare,
dass die Natur von Herbst und Welken träumt.

Jedoch gefallen sich in feuchtem Grünen,
die Büsche, Bäume hier in Park und Wald,
als weile Sommer noch auf ihren Bühnen,
nur zeige sich zum Abschied nass und kalt.

Die grauen Tage früh ins Dunkel fließen,
die Amsel stumm, sogar die Krähe schweigt.
Doch Herbstzeitlosen auf den Wiesen sprießen,
ein zart Geschenk, das der September zeigt.

Auch bleibt die Hoffnung, dass uns bald Oktober
erfreuen wird mit Farben, Gold, Zinnober.

© Foto und Text / Ingrid Herta Drewing

Sonnenaufgang

Rosafarben Wolkenstreifen,
Morgenröte, sanfter Hauch,
zärtlich in den Himmel greifen.
Über Wiese,Busch und Strauch
Nebelschleier,Heiderauch
fliehend über Wälder schweifen.

Leiser Ruf der Ringeltaube,
die das Tagen nun beschwört,
klingt herab von Daches Gaube.
Tiefer Klang wird ungestört
lind erwidert und gehört
dort im Blätternest der Laube.

Bald erreicht der Sonne Strahlen
auch die Fenster in der Stadt,
tilgt den Nebelblick, den fahlen,
und ermuntert, was noch matt
sich im Schlaf befunden hat,
golden seinen Tag zu malen.

© Ingrid Herta Drewing,2016

Der Fährmann und die Armen Seelen

Der träge Fluss im Nebelhauch,
nur trübes Licht, Novembermorgen,
doch überm Fährhausdach der Rauch
zeigt an, ein Mensch lebt hier geborgen.

Tagaus,tagein scheut er nicht Mühe
und bringt die Wandrer übern Fluss;
ob abends spät, ob in der Frühe
ist ’s für ihn ein gewohntes Muss.

Doch heut’ beschleicht ihn banges Ahnen,
er träumte nachts, es hieße Tod
ihn Charon, und mit ernstem Mahnen
brächt’ er die Toten in sein Boot.

Ihn graust ’s, als er zur Fähre schreitet.
Man rief nach ihm, doch keiner da!
Ein kaltes Schaudern ihn begleitet,
als er bemerkt den Schatten nah’.

Der Fährmann zögert, fühlt Gefahr,
ruft rüber:“ Jetzt fehlt mir die Sicht,
ein wenig später, wenn es klar,
werd’ ich erfüllen meine Pflicht.“

„ Hol über, Fährmann,will’s dir lohnen
mit Gold; so scheu das Rudern nicht;
musst heut’ dein Boot nicht ängstlich schonen,
der Nebel ist nicht gar zu dicht!“

Da überwindet sich der Mann,
setzt übern Fluss, und es steigt ein
ein Herr, sehr vornehm, sagt sodann:
„ Nimm diesen Batzen, er sei dein!“

Er nimmt den Lohn und lenkt das Boot,
erleichtert;doch in Flusses Mitten
senkt sich der Kahn, gerät in Not,
als sei viel Volk hinein geglitten.

Und er hört nun,erschrocken staunend,
„ Erlöse uns von unsrer Schuld!“
Ein Wimmern, Arme Seelen raunend:
„ Rett’ uns ans Ufer, üb’ Geduld!“

Dem Fährmann sträubt sich fast das Haar,
doch zieht er fest die Riemen an;
der Fremde, scheint’s ihm,lächelt gar!
Nun rudert er, so schnell er kann.

Dann endlich ist der Steg in Sicht,
und sicher legt dort an der Kahn,
der plötzlich strahlt in hellem Licht,
als breche Sonne sich die Bahn.

Und vieler Stimmen Dankesworte
vernimmt der Fährmann, schaut sich um:
Es ist kein Passagier vor Orte;
er denkt an Wahnsinn, fühlt sich dumm.

Doch das, was ihm der Herr gezollt,
das will ihn dennoch überraschen:
Er findet jenen Batzen Gold
ganz tief in seinen Hosentaschen.

Nur dann zu Haus sein Spiegelbild
blickt fremd ihn an: ein alter Mann.
Das schwere Werk, das er erfüllt’,
hat ihn gezeichnet also dann.

© Ingrid Herta Drewing,2015 ( Üb.von 2013)